Die (möglichen) Auswirkungen der Digitalisierung auf den Geologen und das Geobüro

Nach etwas mehr als einem Jahr der Recherche und Sammlung von Informationen, Berichten und Publikationen kann m. E. ein Zwischenfazit zu den möglichen Auswirkungen der Digitalisierung auf das Berufsbild des Geologen getätigt werden.
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass sich Geobüros, Behörden etc. egal welcher Größe dem Sog der Digitalisierung und Automatisierung nicht entziehen können. Dies wird z.B. an dem heiß diskutiertem Thema Building Information Modelling (BIM) deutlich. Hier sollen alle am Bau Beteiligten Informationen auf einer zentralen Informationsplattform miteinander teilen, bearbeiten und einsehen können. Zentral vorangetrieben wird dieses Thema von staatlicher Seite mit einer ganzen Reihe von Pilotprojekten. In immer größerem Maße werden hierfür 3D-Baugrundmodelle gefordert und benötigt, was entsprechend aufgestellten Geobüros sicher entgegenkommt. Diese Baugrundmodelle sind u.a. nach Ansicht der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie eine entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Anwendung von BIM:
Eine weitere wichtige und sehr wahrscheinlich eintretende Entwicklung ist die Automatisierung vieler Arten der (geologischen) „Fließbandproduktion“ durch Algorithmen. Was schon alles in dieser Hinsicht möglich ist, ist im folgenden Link anhand der chemischen Synthese neuer Verbindungen illustriert:
In diese Kategorie könnten im geologischen Berufsbild v.a. Tätigkeiten fallen, die man bisher mit einiger Berufserfahrung eher „zwischendurch“ abarbeiten konnte wie die Ausbauplanung für Grundwassermessstellen in Gebieten einfacher geologischer Verhältnisse oder Gründungsempfehlungen für kleine Bauwerke, wofür in vielen Büros ohnehin Standardtexte existieren dürften. Unter Umständen gehen die Möglichkeiten dieser Automatisierung in ein paar Jahren weit über die genannten Beispiele hinaus.
Grundsätzlich sind jene Aufgaben in Gefahr, die durch Big Data und maschinelle Lernalgorithmen abgedeckt werden können. Potentielle Problemstellungen wie Mustererkennungen können aufgrund der mittlerweile auch recht billig gewordenen riesigen Rechenkapazitäten viel schneller und kostengünstiger von Computern bearbeitet werden als der Mensch je dazu in der Lage wäre. Allerdings gibt es nachwievor das große Feld an Daten, die nur lückenhaft oder nur in geringem Umfang vorhanden sind. Dieser Bereich kann durch maschinelles Lernen (noch) nicht abgedeckt werden, da hier die nötigen Datenmengen fehlen. Das ist der Bereich, in den Geologen ohnehin einen ihrer fachlichen Schwerpunkte haben; aus rar gesäten Daten ein stimmiges Gesamtbild abzuleiten wie aus einzelnen Bohrungen und Aufschlüssen ein strukturgeologisches Modell zu entwickeln. Ein tiefer gehender Artikel zu diesem Thema kann hier gefunden werden:
Wie schnell die weitere Automatisierung von Aufgaben voranschreitet, hängt natürlich auch von Softwareentwicklern, den Geologen selbst und evtl. sogar Investoren ab. Da der Geomarkt in Deutschland zumindest im Vergleich zur Chemie- oder dem Maschinenbaubranche recht klein ist, steht der Fokus der nächsten Stufe der Rationalisierung möglicherweise etwas später ins Haus als in den genannten Großbranchen. So könnte der Druck auf Geologen noch etwas geringer sein als auf andere (naturwissenschaftliche) Berufsgruppen.
Insgesamt ist der Geologe als Berufsstand wahrscheinlich weniger bedroht. Aber Genaues lässt sich auf längere Sicht kaum abschätzen. Es gibt aber dazu recht positive Ansichten, dass dies in naher Zukunft (oder besser: überschaubarer Zukunft) nicht passieren sollte. Dazu der folgende Artikel:
Das Geobüro an sich wird nicht nur in fachlicher Hinsicht von der Digitalisierung betroffen sein, sondern auch im organisatorischen Bereich. Zur Optimierung und Nachvollziehbarkeit von Geschäftsprozessen sowie Lieferketten könnten v.a. Büros ab einer gewissen Größe bzw. mit Bearbeitung relativ großer Projekte von der sogenannten Block-Chain-Technologie profitieren. Potentielle Einsatzmöglichkeiten werden im folgenden Artikel geliefert:
Ein insgesamt positiver Punkt ist die immer größer werdende Verfügbarkeit von Open Data und Freeware. Hier kann man u. U. auf die Anschaffung teurer Softwareprodukte und Datenbanken verzichten. So bieten z.B. die Programmbibliotheken von R und Python eine ganze Palette an Algorithmen für räumliche Analysen und maschinelle Lernalgorithmen:
Zudem gibt es ganze Listen an Open Data und Freeware für den geowissenschaftlichen Gebrauch. Solche Übersichten findet man in den folgenden Gruppenbeiträgen:
Ein entscheidender Faktor für die Meisterung der Umwälzungen durch die Digitalsierung und Automatisierung wird die Weiterbildung der Mitarbeiter sein. Ob man nun interne oder externe Schulungen anbietet ist weniger wichtig als vielmehr die Beschäftigung mit den Themen in Theorie und Praxis.
Beispielhaft für den Umgang mit der Digitalisierung können die Firma Beak Consultants mit ihrer auf neuronalen Netzwerken beruhenden Software Advangeo sowie die Firma Wisutec mit einem eigen entwickelten GIS-System (AL.VIS) genannt werden. Den Gruppenbeitrag zu Advangeo finden Sie hier:
Es gäbe natürlich noch einige weitere Beispiele, aber ich möchte es bei diesen beiden belassen.
Im Idealfall sollte die Digitalisierung nicht um ihrer selbst willen vom Zaun gebrochen werden, sondern Sie sollte unterstützend zur Beherrschung der immer größeren Datenflut genutzt werden. Und wo Geschäftsprozesse optimiert und verbessert oder gar verkürzt werden können, sollte dies getan werden, wodurch mehr Zeit für die Kernarbeit des Geologen bleibt.
Wichtig ist vor allem zu wissen, was das Ziel der eigenen digitalen Strategie sein soll bzw. wo man hinsteuern möchte. Es ist definitiv zu wenig, große Datensätze von einem Maschinellen-Lern-Algorithmus analysieren zu lassen und auf gute Ergebnisse zu hoffen. Hier ist auch wieder Expertenwissen gefragt, welches durch den Geowissenschaftler implementiert werden muss. Also sollte man den Prozess der Digitalisierung und Automatisierung mit Bedacht, Weitsicht und nicht zum Selbstzweck angehen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Digitalisierung den Berufsstand der Geologen wie auch viele andere stark transformieren wird, bei richtiger Handhabung und vorausschauender Handlungsweise diesen aus momentaner Sicht durchaus eher bereichert als bedroht.
© Christian Günther